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Das Glück der Mühlhäuser Museen, gute Freunde zu haben

Ein ganz besonderer Fall von Bürgerengagement in der Mitte Deutschlands

Mühlhausen? Das ist doch die Stadt der Tore und der Kirchen. Es waren die einst 59 Türme der Kirchen und der Stadtmauer, die dem Ort den Namen "Mulhusia turrita" - das turmgeschmückte Mühlhausen gaben. Die Stadtmauer mit ihren erhaltenen Wehrtürmen und die Türme der elf mittelalterlichen Kirchen versetzen noch heute Besucher der Stadt in eine längst vergangene Zeit. Gekrönt wird Mühlhausen von der Marienkirche in der Oberstadt, nach dem Erfurter Dom die zweitgrößte Kirche Thüringens. Dort predigte der radikale Reformator Thomas Müntzer, der die einst freie Reichsstadt zu Zeiten des Bauernkrieges in den Fokus deutscher Geschichte rückte. Heute, fast 500 Jahre nach diesem markanten Geschichtspunkt, ist diese Kirche als Müntzer-Gedenkstätte ein Museum – eins von insgesamt fünf in Mühlhausen. Zu diesem Zweckverband der Mühlhäuser Museen gehören zudem das Kulturhistorische Museum, das Bauernkriegsmuseum Kornmarktkirche, die Museumsgalerie Allerheiligenkirche und die Historische Wehranlage.

Das ist viel, sehr viel Museumslandschaft für eine so kleine Stadt wie Mühlhausen mit gerade einmal etwa 33.000 Einwohnern. Natürlich schaut man aus dem Rathaus mit großem Stolz auf diesen ererbten Reichtum, der quasi ein Alleinstellungsmerkmal in der Mitte Deutschlands und damit eine touristische Attraktion ist.
Das kulturelle Erbe ist anderseits eine enorme Belastung. Mühlhausen geht es nicht anders wie den meisten Kommunen in Thüringen: Die Stadtkasse ist leer. Gerade noch reichen die Finanzen, die Museen so zu erhalten wie sie sind. Für dringend notwendige Restaurierungen manch wertvollen Sammelstücks in den Museen reicht allerdings seit Jahren das Geld schon nicht mehr. Das Wort Neuanschaffung existiert längst nicht mehr im städtischen Haushalt.
Einem Glücksfall ist es zu verdanken, dass die Mühlhäuser Museen nicht dahin dümpeln müssen, sondern mal das eine oder andere Schmuckstück in ihre Sammlung bekommen und das eine oder andere historisch wertvolle Sammelstück restaurieren können. Der Glücksfall hat einen Namen. Er heißt Freundeskreis Mühlhäuser Museen und ist ein gemeinnütziger Verein. Vor fünf Jahren, am 30. April 2010, haben kulturbewusste Bürger diesen Verein gegründet. Inzwischen zählt er mehr als 270 Mitglieder und hat sich zu einem der stärksten Vereine in Mühlhausen entwickelt. Diese nach wie vor wachsende Popularität zeugt sowohl von einem beeindruckenden Kulturengagement der Mühlhäuser als auch auch von ihrer besonderen Liebe zu ihren Museen. Eine Heimatstadt ohne ihre Museen, die es schon immer gab, seit sie denken können, wollen sich die Mühlhäuser Kulturbürger gar nicht erst vorstellen.
So stellt sich der Freundeskreis den Mühlhäuser Museen in Zeiten der knappen öffentlichen Mittel äußerst öffentlichkeitswirksam an die Seite ihrer Museen, fördert einzelne Projekte und übernimmt zeitgleich die Rolle eines kulturellen Multiplikators. Als solcher scheut er sich nicht, die politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen mit Nachdruck an ihre Verantwortung für das kulturelle Leben in der Region, insbesondere für die Mühlhäuser Museen als eines der größten und ausstrahlungsstärksten Verbundmuseen Thüringens, zu erinnern.
Was tut nun der Freundeskreis konkret für seine seine große Liebe, die Mühlhäuser Museen?
Seit seiner Gründung organisiert er jährlich ein bis zwei attraktive Benefizkonzerte, wie es sie bislang in Mühlhausen kaum gab. So konnte der Freundeskreis in den vergangenen Jahren das Thüringer Kammerorchester, den Klezmer-Klarinettisten Helmut Eisel, die Weimarer Sopranistin Marietta Zumbült, die Ururenkelin des Komponisten Franz Liszt und Urenkelin von Richard Wagner, Dr. Nike Wagner, und die Pianistin Cora Irsen präsentieren. Die Einnahmen dieser großartigen Konzerte fließen in konkrete Restaurierungsmaßnahmen oder Projekte der Mühlhäuser Museen, die sonst nicht realisierbar wären. Zudem tragen diese Konzerte, die stets zwischen 300 und 400 Gäste zählen, zur Bereicherung des kulturellen Lebens der Stadt bei und fördern somit auch die öffentliche Wahrnehmung und Beliebtheit des Freundeskreises.
Apropos öffentliche Wahrnehmung: In diesem Kontext steht auch der Mühlhäuser Museumsball. Im September 2014 feierte der unter dem Motto „Eine Nacht im Museum“ seine großartige Premiere in den sanierten Räumen des Kulturhistorischen Museums. Binnen weniger Tage waren alle Karten für dieses Ereignis vergriffen. Dank der großzügigen Unterstützung überaus zahlreicher Sponsoren gelang es, eine Tombola mit attraktiven Gewinnen zu präsentieren. Mit dem Tombola-Erlös konnte eine besonders wertvolle Innungslade der Mühlhäuser Schlosserinnung aus dem 17. Jahrhundert restauriert werden. Der Museumsball wird am 26. September 2015 seine zweite Auflage feiern – auf Grund der großen Nachfrage wird der Ball in der Kornmarktkirche stattfinden.
Noch ein Beispiel aus der Liste der guten Tatgen des Freundeskreises:  Am 28. Januar 2015, dem 215. Geburtstag des Mühlhäuser Baumeisters Friedrich August Stüler, vergab der Freundeskreis zum zweiten Mal den Friedrich-August-Stüler-Preis für junge Wissenschaftler. Dieser Preis soll zum einen den in Mühlhausen geborenen berühmten Baumeister Friedrich August Stüler würdigen. Zum anderen sollen herausragende wissenschaftliche Leistungen rund um das gesamte Tätigkeitsspektrum der Mühlhäuser Museen, insbesondere die weitere Erforschung ihrer Bestände, belohnt und öffentlich anerkannt werden. Der Friedrich-August-Stüler-Preis wird alle zwei Jahre vergeben und ist mit einem Preisgeld von 1.000 Euro dotiert. Preisträgerin 2015 ist die gebürtige Mühlhäuserin und Studentin der Sozial- und Kulturanthropologie, Sarah Lösel. Sie erhielt den Preis für ihre wissenschaftliche Arbeit „Archäologie für Kinder“, einem museumspädagogischen Konzept zur Dauerausstellung „Unstrut Hainich tiefgründig“ im Kulturhistorischen Museum.

Der Freundeskreis hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, dieses Konzept möglichst zeitnah zu verwirklichen. Das notwendige Geld dafür soll der Benefizabend „Pique Dame“ mit Dieter Mann, Jochen Kowalski und Dietrich Sprenger am 19. Mai dieses Jahres einspielen.

Bleiben wir noch einmal bei Friedrich August Stüler. Der 150. Todestag des Baumeisters am 18. März dieses Jahres war dem Freundeskreis Anlass, eine Sonderausstellung mit dem Titel „Pläne für Europa – der Mühlhäuser Baumeister Friedrich August Stüler“ zu initiieren und zu finanzieren. Diese Ausstellung mit Fotografien bedeutender Bauwerke des Meisters, unter anderem das schwedische Nationalmuseum in Stockholm, die Akademie der Wissenschaften in Budapest, das Neue Rathaus in Breslau und die historischen Stadttore von Königsberg, wurde am 18. März 2015 im Beisein des Ur-Urenkels, Dr. jur. Michael Müller-Stüler, in der Marienkirche eröffnet. Mit den Fotos beauftragt wurde übrigens der Mühlhäuser Architekt und Fotograf Tino Sieland.

Nun gibt es Überlegungen, diese sehenswerte Foto-Ausstellung auch in den Wirkungsorten Stülers, in Stockholm, Budapest, Breslau und Königsberg, zu präsentieren. So wird der Freundeskreis auch zu einem kulturellen Botschafter Mühlhausens und des Unstrut-Hainich-Kreises.

In diesem Botschafter-Sinn stehen ebenfalls die Kontakte zu Fördervereinen und Freundeskreisen in anderen thüringischen Städten wie in Creuzburg und Weimar. So gibt es gegenseitige Besuche von Ausstellungen oder Theateraufführungen. Das Sich-Kennenlernen hat mehr Potenzial als nette Besuche und das Mal-in-die-Nachbarschaft-Schauen, was es dort Interessantes und Nachahmenswertes gibt. Die Thüringer Kultur- und Museumsfreunde können gemeinsam ein Netzwerk knüpfen, das eine Lobby sein kann gegen die latente Gefahr politischer Streichaktionen in der Thüringer Museums- und Kulturlandschaft.

Treffend ist in diesem Zusammenhang das Goethe-Zitat, das der Freundeskreises Mühlhäuser Museen für eines ihrer Faltblätter gewählt hat: „ ...Galerien und Museen, zu denen nichts hinzugefügt wird, haben etwas Grab- und Gespensterartiges, man beschränkt seinen Sinn in einem so beschränkten Kunstkreis, man gewöhnt sich, solche Sammlungen als ein Ganzes anzusehen, anstatt daß man durch immer neuen Zuwachs erinnert werden sollte, daß in der Kunst, wie im Leben, kein Abgeschlossenes beharre, sondern ein Unendliches in Bewegung sei …“

Dieses Zitat kann durchaus als Credo der Tätigkeit des Freundeskreises Mühlhäuser Museen verstanden werden. Dessen Mitglieder setzen mit ihrem bürgerschaftlichen Engagement im Goethe’schen Sinne „ein Unendliches in Bewegung“. Damit kann ihre Heimatstadt Mühlhausen, die Stadt der Tore und der Kirchen, gar nicht erst die Patina des Grab- und Gespensterartigen. ansetzen.

Iris Henning und Dr. Michael Scholl

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